about

zum
30. Geburtstag
2019…

Welch seltenes und bemerkenswertes Jubiläum in einer Zeit, deren äusserst kurzlebige und wechselhafte Erscheinungsformen auch Auswirkungen haben auf die Produktion Bildender Kunst, insbesondere auf den Bereich der Druckgrafik.

Der Auflagen-Druck von 154 Handdrucken pro Kalendermotiv in den traditionellen Techniken der Druckgrafik, aber auch in professionell hochwer-tigem, digitalem Pigmentdruck und der Monotypie ist eine Herausforderung. Dies ist ohne Geduld und Disziplin nicht zu bewältigen. Um 30 Jahre nicht in Routine zu erstarren, braucht es Phantasie, Mut zum Experiment, Neugier und Bereitschaft zu lebenslangem Lernen in sich ständig weiter-entwickelnden Techniken, neben der täglichen Kunstproduktion in den Ateliers.

Und dennoch haben seit 1990 Jahr für Jahr mehr als 70 Künstler*innen eine Edition für 12 Monate – 12 Originale realisiert. Die wenigsten beschäfti-gen sich in ihrer künstlerischen Arbeit schwerpunktmässig mit Druckgrafik. Manche blieben ein Jahr, andere gehören seit den Anfängen zum festen Kern und entwickeln das Projekt kontinuierlich weiter – trotz kleinen Budgets und immer wieder zu überwindenden Höhen und Tiefen.

Denn während des Studiums vieler Kollegen*innen gehörten Neue Medien und Computerkunst noch nicht zum Angebot der Kunsthochschulen, dagegen waren professionell geleitete, gut ausgestattete Druckwerkstätten für Radierung, Lithografie, Siebdruck, Holz- und Linolschnitt eine Selbst-verständlichkeit. Inzwischen hat sich die Situation geändert: neue Medien sind für die jungen Künstler*innen keineswegs mehr neu. Dafür fangen viele nicht selten erst nach dem Studium und oft unter enormem Zeitdruck, mit dem Erlernen traditioneller Drucktechniken an. Ursprünglich waren diese ja handwerkliche Berufe und es setzt sehr viel Erfahrungen voraus, um zu befriedigenden Ergebnissen zu kommen – insbesondere wenn hohe Auflagen gedruckt werden sollen.

Doch wie
fing alles an?

Niels Unbehagen, ehem. künstlerische Lehrkraft für Siebdruck und freie Grafik an der UDK Berlin, Fakultät Bildende Kunst schrieb dazu in seinem Grußwort zum 20jährigen Jubiläum:

»Mitte der 80er Jahre fanden sich, inspiriert durch einen 1983 in der Siebdruckwerkstatt der HdK, FB 1 realisierten Grafikkalender, 12 ehemalige Kunststudentinnen/ Meisterschülerinnen zusammen, um nun in eigener Regie den ersten Kalender mit Originalgrafiken zu produzieren: Dagmar Diekmann, Rosemarie Jarmann und Helga Primbnow, gehörten dazu.

Diese damals jungen Künstlerinnen waren und sind Personen, die Eigenschaften in sich vereinen, die unter anderem mit den Adjektiven: künstlerisch ausserordentlich kreativ, kommunikativ, entscheidungsfreudig, offen für Neues, aber auch qualitätsbewusst und beharrlich benannt werden können. Und so begann 1989/1990 das bis heute bestehende Folgeprojekt 12 Monate – 12 Originale, dessen individuelles, schlüssiges Konzept Helga Ntephe (bis 1995 Helga Primbnow) in den ersten Jahren noch gemeinsam mit Dagmar Diekmann und einem festen Stamm von befreundeten Künstlern ent-wickelte. Später wurde Helga Ntephe von der Gruppe beauftragt, die Organisation und Koordination zu leiten.«

12 Monate – 12 Originale hat sich in 30 Jahren zu einer äußerst interessanten Sammlung interdisziplinärer, multipler Kunst entwickelt, die sich deut-lich von anderen Kalenderprojekten unterscheidet. Der besondere Reiz liegt in der Mischung traditioneller Drucktechniken (Holz- und Linolschnitt, Radierung, Lithografie und Siebdruck) mit den vielfältigen Möglichkeiten von Digital Art/Pigmentdruck, Monotypie und künstlerischer Fotografie. Ein weiteres Geheimnis dieses Erfolgskonzeptes ist vermutlich seine Offenheit. Dazu gehört die Bereitschaft, sich immer wieder neuen Anforderungen zu stellen, welche durch gesellschaftliche Prozesse ausgelöst werden und zu Veränderungen in den Ausdrucks- und Arbeitsweisen von Bildenden Künstler*innen führen.

Einziges und maßgebliches Kriterium ist die exzellente künstlerische und drucktechnische Qualität der Blätter. Eine thematische Vorgabe gibt es nicht. Und so hat die Vielfalt der künstlerischen Handschriften von bisher über 70 Künstler*innen und die Generationen übergreifende Zusammensetzung der Gruppe ganz nebenbei einen ausschnitthaften Einblick in die Entwicklung von 30 Jahren Berliner Druckgrafik-Produktion entstehen lassen.

Zur Kerngruppe gehören Christoph Damm, Helmut Gutbrod, Claudia Hartwig, huber&christen, Patrick A. Kaufmann (Schweiz), Helga Ntephe, Peter Schlangenbader, Petra Seebauer und Anita Staud. Hinzu kommen jährlich wechselnde, vorwiegend in Berlin arbeitende Gastkünstler*innen aus dem internationalen Raum, aktuell Viola Bendzko, Deborah S. Phillips und Harald Wolff (Frankreich).

Ein kontinuierlich ausgebautes Netzwerk eröffnet immer wieder neue Möglichkeiten der Selbstvermarktung, auch über die gemeinsame, jährlich pro-duzierte Grafikedition hinaus. Dazu gehört ein begleitendes Booklet ebenso, wie zahlreiche nationale und internationale Ausstellungspräsentationen in den vergangenen 30 Jahren. Gerne erinnern wir uns heute noch an den Künstleraustausch »feedback – artist by artist« (2001 – 2004), wo wir ge-meinsam mit Künstler*innen aus den USA in der Druckwerkstatt im Kulturwerk des bbk Berlin und im Printmaking Council of New Jersey Erfahrungen austauschten, experimentierten und ausstellten.

Unser größter Wunsch zum 30. Jubiläum – die Digitalisierung aller bisher entstandenen 360 Arbeiten ging in Erfüllung. Dafür danken wir an dieser Stelle ganz besonders dem Team der Druckwerkstatt im Kulturwerk des bbk Berlin, dem Fotografen Martin Zellerhoff und einem privaten Förderer von 12 Monate – 12 Originale. Zeitnah wird damit das Archiv aller 30 Editionen auf unserer Webseite www.12monate12originale.de für die Öffent-lichkeit zugänglich sein.

Den vielen Sammlern und Institutionen, von denen die Sammlung für multiple Kunst jedes Jahr mit besonderem Interesse erwartet wird, sei versichert, dass sie auch zukünftig die Möglichkeit bekommen werden, spannende, in Berlin entstandene Kunst zu entdecken und ihre Entwicklung zu verfolgen. Bemerkenswert ist der auch weiterhin äußerst moderate Preis – insbesondere angesichts der hohen Qualität! Die Sicherung der finanziellen Existenz war vor 30 Jahren ein wesentlicher Aspekt des Konzeptes. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil – Verunsicherungen, wie die prekäre Berliner Ateliersituation, Sparmaßnahmen in der Ankaufspolitik und die Elitisierung des Kunstmarktes, haben sogar zugenommen.

Da hilft ein erfolgreiches Kalenderjahr, um für einige Zeit etwas freier durchatmen zu können.

Kommen Sie gut mit uns durch unser 30. Jubiläumsjahr 2019/20 und seien Sie gespannt auf die Entwicklung der nächsten 10 Jahre von 12 Monate – 12 Originale.

Helga Ntephe, Initiatorin und Organisatorin